Der Nikolaihof in Mautern in der Wachau ist das älteste Weingut Österreichs.
Schon vor 2000 Jahren nutzten die Römer das Gebiet an der Donau für den Weinanbau und kelterten die edlen Tropfen im römischen Weinkeller, der nach wie vor existiert. Am gesamten Areal stößt man heute noch auf die Überreste der alten Befestigungsanlage. 1894 erwarb die Familie Saahs den Hof, eine neue Ära wurde eingeläutet. 77 Jahre später begannen Nikolaus und Christine Saahs mit der biodynamischen Bewirtschaftung, die Nikolaus Saahs jun. seit 2005 erfolgreich weiterführt und ausbaut. Seinen Bruder Martin hingegen zog es erst einmal in die weite Welt hinaus.
„Je länger ich weg war, je mehr ich von der Welt sah, desto mehr wurde mir bewusst, wie schön es doch Zuhause ist“
„Wir sind insgesamt vier Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern. Es war von Anfang an klar, dass der älteste, Nikolaus, das Weingut übernehmen wird“, erzählt Martin. Er selbst folgte nach dem Schulabschluss vorerst dem Ruf des Reisens, ging eine Zeitlang nach China, arbeitete in Indien, organisierte internationale Präsentationen für den Nikolaihof und doch fehlte ihm etwas. „Je länger ich weg war, je mehr ich von der Welt sah, desto mehr wurde mir bewusst, wie schön es doch Zuhause ist.“ Nach über zehn Jahren als Weltenbummler war für Martin klar, dass er heimkehren wollte. Doch war für zwei Brüder genügend Platz am Nikolaihof?
„Wir haben uns an einen Tisch gesetzt und uns die Frage gestellt, was es noch an Möglichkeiten, an ungenutzten Rohstoffen gibt. Nach langen Überlegungen war eines Tages klar, wohin der Weg führen sollte. Mit dem Wissen, dass die Traube der reichste Antioxidantien-Spender der Natur ist, fasste ich mir ein Herz und arbeitete mit einem langjährigen Freund die erste, nach den Demeter-Richtlinien zertifizierte, biodynamische Kosmetikmarke aus.“
Demeter-Mitglieder arbeiten nach weltweit geltenden, strengen Richtlinien des biologischen Landbaus. „Es geht nicht nur alleine darum, keine künstlichen Dünger, Fungizide, Herbizide und dergleichen einzusetzen, sondern wirklich der Natur ihren ganz natürlichen Kreislauf zu lassen“, erklärt Martin. Der Grund für die Demeter-Zertifizierung liegt klar auf der Hand: „Die Industrialisierung der biologischen Landwirtschaft führt dazu, dass Alternativen gesucht werden, weil der Konsument merkt, dass mittlerweile fast jedes Produkt mit „Bio“ gekennzeichnet ist und die Skepsis wächst. Das Demetersiegel gibt dem Kunden die Sicherheit, dass er ein ehrliches Produkt kauft und das dies die höchste Qualität besitzt, die er kriegen kann.“
„Es geht nicht nur darum, keine künstlichen Dünger, Fungizide, Herbizide und dergleichen einzusetzen, sondern wirklich der Natur ihren ganz natürlichen Kreislauf zu lassen.“
Einstieg in die Kosmetikbranche
2014 wurde der Grundstein für die Kosmetikbranche gelegt, die ersten Versuche folgten: „Es war ein langer Weg, wir wollten ausschließlich Produkte aus eigenem Anbau verwenden, keine exotischen Inhaltsstoffe, kein Palmöl, keine Sheabutter.“ Nach zwei Jahren harter Arbeit hatten sie es geschafft, die weltweit erste nach Demeter-Richtlinien zertifizierte Kosmetikmarke zu lancieren. Was in der Theorie einfach klingt, sah in der Praxis so aus: „Eine Gesichtspflegelinie war unser erstes Ziel, aber wir wussten nicht, wer es uns herstellt, wie wir die Rohstoffe verarbeiten, wie wir die Verpackungen machen, wie das heißen wird und ob wir es überhaupt machen und verkaufen dürfen. Das war eine spannende Phase, ein langer und steiniger Weg. Auch die Zulieferer waren anfangs eine Herausforderung, manche belächelten uns, aber letzten Endes haben wir tolle Partner gefunden.“
Zwei Jahre später war die Kosmetikmarke „dieNikolai“ entstanden. Alle Produkte enthalten das wertvolle Demeter-Traubenkernöl und werden mit Rohstoffen aus dem Weingarten, wie beispielsweise Safran, verfeinert. Und war die erste Charge an Gesichtspflegen noch zu flüssig, so arbeitete man trotzdem hart weiter, bis die Mischung stimmte. Der Einsatz trägt Früchte: „Die Produkte kommen sehr gut an, alle paar Monate kommt ein neues hinzu.“ Produktvorführungen, wie in der Saint Charles Apotheke von Alexander Ehrmann in Wien, waren erfolgreich: „Dass wir dort unsere Produkte verkaufen dürfen, ist schon ein sehr großer Erfolg für uns.“ Gesichtsreinigung und Pflege, bio-dynamische Seren, Lippensalben, Handpflegen und mehr – die Produktpalette ist groß, die Liste der Zutaten klein: „Wir versuchen mit wenigen Inhaltsstoffen zu arbeiten.“
Aber was ist nun eigentlich drin in den Pflegeserien? „Aus dem Trester, der beim Pressen der Weintrauben übrigbleibt, gewinnen wir Traubenkerne, die wir trocknen und daraus Traubenkernöl herstellen, Holunderbeeren werden für Holunderkernöl gewonnen, weiters werden Lindenblüten geerntet und die Schalen der Traube verwendet.“ Besonders sind die Tränen des Weinstocks, ein Rohstoff, der bislang ungenutzt war. „Im Frühjahr, wenn sich der Rebstock das erste Mal durchspült, tropft am Ende, wo die Rebe angeschnitten worden ist, eine Flüssigkeit heraus, die Schnittwunde versiegelt sich anschließend mit Harz. Schon Hildegard von Bingen sagte einst, dass dieses "Rebwasser" einer der wertvollsten Rohstoffe sei, die es bei uns in der Natur gibt. Wir haben daraus ein Augenserum entwickelt.“ Die Gewinnung ist alles andere als einfach: Es werden hunderte von Weinflaschen in den Weingärten aufgehängt, um ein paar wenige Liter zusammenzubekommen. Generell ist die Ernte dieser besonderen Zutaten kein Kinderspiel: Für die Ernte der Lindenblüte hat man nur wenige Stunden und selbst bei den Traubenkernen spielt die Zeit eine große Rolle, denn der frische Trester muss jeden Tag zur Ölmühle gebracht werden. Sobald dieser nämlich zu Oxidieren beginnt, ist der Rohstoff wertlos. Das letzte, was im Jahr geerntet wird, ist Safran: „Wir haben ein Safranfeld mit rund 10.000 Safrankrokussen, welche ebenfalls erstmals weltweit nach den Demeter-Richtlinien zertifiziert sind.“ Das wichtigste ist eben, dass man hinter seinem Produkt stehen kann.
Ein Wein geht um die Welt
Sich selbst treu bleiben, lang gehegte Träume verwirklichen und der Wunsch, nur das Beste für die Kunden zu produzieren sowie ein gewisses Maß an Eigensinnigkeit führten dazu, dass auch die Weine vom Nikolaihof mittlerweile internationale Erfolge verzeichnen. „Wir wurden lang dafür belächelt, dass unsere Weine sehr lange im Holzfass lagern und wurden immer ein wenig als Spinner abgetan. Aber die Auszeichnung für unseren trockenen Riesling, Jahrgang 1995, der als erster Wein Österreichs und erster trockener Riesling der Welt nach 17 Jahren im Fass mit 100 Punkten von dem amerikanischen Weinkritiker Robert Parker ausgezeichnet worden ist, pflichtet dem Weg meiner Eltern und meines Bruders bei. Man kann von Bewertungen halten, was man will, einem selbst muss der Wein ja schmecken. Aber das war schon eine gebührende Anerkennung für die jahrzehntelange, beharrliche Arbeit und neben so mancher Kritik ein toller Moment für die Eltern.“
Hier am Nikolaihof helfen alle zusammen, wenn es darauf ankommt. Sei es zur Weinlese im Herbst, bei der Arbeit im Gästehaus oder zur Erntezeit der Rohstoffe für die Kosmetiklinie. Man ist eine Familie und doch hat jeder seinen eigenen Platz gefunden. Tradition und Geschichte hält man hoch. Das spiegelt sich auch darin wieder, dass einmal im Jahr immer noch eine Trauben-Pressung mit der 350 Jahre alten Weinpresse vonstatten geht. Und selbst wenn das bis zu zwölf Stunden dauern kann, bis 10 Tonnen Trauben damit gepresst sind, man schätzt altes Wissen und Kulturgut. Die Arbeit, die geht hier am Nikolaihof ohnehin nie aus. Deswegen nimmt man sich einfach fixe Auszeiten, informiert Partner und Kunden darüber, und sperrt die Bürotür für zwei Wochen auch mal zu. Um selbst in den Genuss zu kommen, an einem schönen Sommertag im Weingarten mit Freunden und Familie Zeit zu verbringen und unbeschwert ein Glas zu heben, auf diesen Genuss und die damit verbundene Dankbarkeit, diesen Traum leben zu dürfen.
Der Nikolaihof in Mautern ist nicht nur für seine Demeterkosmetik und Weine berühmt. Patronin Christine Saahs ist als Autorin des Wachau Kochbuch mit dem „Gourmand World Cookbook Award“ für das beste regionale Kochbuch weltweit geadelt worden. Ihre liebevoll gekochten Gerichte kann man in der Weinstube des Nikolaihof genießen. Und wer sich wieder einmal eine Auszeit in der Wachau vergönnen möchte: Elisabeth Samek, ebenfalls eine Tochter des Hauses, führt mit dem ad vineas ein feines Gästehaus.